Lehrer sind auch nur Menschen. Und nicht jeder trifft sich abends mit Kolleginnen abwechselnd zum Nordic Walking oder zum Fortgeschrittenenkurs in Seidenmalerei. Ich denke ich bin das Kuckucksei im Lehrerzimmer. Etwa wie ein Veganer, der ausversehen Metzger geworden ist oder ein Pilot mit Höhenangst. Oder wie eine Franzi van Almsick, die immer wieder vom Schwebebalken fällt weil sie noch nie jemand ins Wasser geschubst hat.

Montag, 27. Februar 2017

Ich hab keinen Bock auf eure Schubladen! (außer es sind Süßigkeiten drin)

Dieser Artikel ist alt. Genau genommen fast ein Jahr. Gemessen an der Gesamtlebensdauer des Blogs von knapp einem anderthalben Jahr gehört er also zu den frühen Werken.Trotz seines Alters hat er für mich an Aktualität nichts verloren. Im Gegenteil: eigentlich könnte ich diesen Text alle vierzehn Tage rebloggen. Das zugegeben stark lädierte und müde Engelchen auf meiner rechten Schulter drängt oft dazu, mich zu erklären. Das linke Teufelchen wirft dann immer die Hufe auf den Tisch, lehnt sich lässig zurück, verschränkt die Arme, rammt das Dreizack neben sich in den Boden und sagt: "Paah, DAS HIER ist dein Zuhause. Du musst gar nichts. Wem es nicht gefällt, der soll gefälligst gehn." Ich mag dieses knuffige Kerlchen...



Es schreit aus allen Richtungen:

Du musst deine Nische finden!


Du musst eine Zielgruppe definieren!


Du musst Mehrwert bieten!

Einen Scheiß muss ich. Oder wie Herr Müller immer zu sagen pflegt:
"Ich muss nur zwei Dinge - Sterben und Scheißen."

In der Schule doziert der Lehrer über ein Thema, welches im ungünstigsten Falle weder ihn selbst noch die Schüler begeistert. Dass beide Parteien mehr oder weniger gezwungen sind zur Schule zu gehen, erschwert die Rahmenbedingungen zusätzlich. Stichwort: MÜSSEN.

Da ich hier aber nun mal nicht in der Schule sondern in MEINEM Lehrerzimmer bin MUSS ICH GAR NICHTS. Und wisst ihr was noch besser ist? IHR MÜSST AUCH NICHTS. Ihr dürft kommen wann ihr wollt und lesen was ihr wollt und ich schreibe WAS ICH WILL. Hört sich doch traumhaft an, oder?! Im günstigsten Falle finden wir sogar gelegentlich einen gemeinsamen Nenner… JACKPOT.

Warum schreibe ich das eigentlich. Naja. Auf die obigen Arbeitsaufträge stößt wohl jeder Blogger irgendwann, wenn er sich fragt, wie er Leser gewinnen und Reichweite generieren kann. 

Halt.Leser gewinnen? Reichweite generieren? Wofür? Wo bleibt da der Spaß? Ich erkläre es möglichst kurz den "Auskotzen über Facebook" soll nicht der Plot dieses Textes sein:

Wenn 700 Menschen Frau Müller abonniert haben (weil sie sie lesen WOLLEN - davon gehe ich aus), dann erreiche ich, ohne dass irgendeiner mit dem Post interagiert, etwa ein Zehntel dieser Abonnenten. FB verteilt nur weiter, wenn jemand liked, kommentiert oder teilt OOOOODER wenn ICH Geld dafür bezahle. Das heißt: ihr könnt euch nie sicher sein, dass ihr auch bekommt was ihr abonniert/bestellt habt WEIL ich im Traum nicht daran denke, Geld für etwas zu bezahlen mit dem ich nullkommanichts verdiene. Aus meiner Sicht werden hier Blogger und Leser verarscht. Aber gut, der junge Herr Zuckerberg muss ja auch von was leben.

Aber dafür nun bestimmte Dinge nicht schreiben, nur weil sie Leser X oder Y nicht gefallen könnten? Ein Thema vermeiden, weil es vermeintlich nicht zu einen anderen passt, über welches auch Menschen ins Lehrerzimmer fanden? Mich verbiegen? Nee. Das hier bin ICH.

Immer Lehrer, Lehrer, Lehrer. Schon vergessen? Ich bin das Kuckucksei in dieser Irrenanstalt. Wer erwartet, dass es bei mir nur bildungspolitisch (wenn auch mit einer gesunden Portion Sarkasmus gepfeffert) zugeht, der hat nicht verstanden was ein Kuckucksei ist.

Ich bin mehr als nur Pauker. Und ganz ehrlich: ich verbringe täglich rund acht Stunden mit meinem Job. Glaubt ihr ernsthaft, da will ich dann noch ellenlange Texte drüber schreiben? Ich bin doch nicht bekloppt! (aber manchmal lass ich mich eben doch hinreißen – vorallem wenn die Hutschnur platzt…)

Ganz nebenbei bin ich noch Mutter. Das nimmt im Schnitt die anderen acht Stunden des Tages (welche ich mehr oder weniger wach erlebe) in Beschlag. Auch darüber habe ich nur selten Lust zu philosophieren. Sicher – hier gibt es Reizthemen zu denen auch ich die Finger nicht stillhalten kann, aber wer NUR Mamagelaber lesen will, der wird wahre Uuuuuuunmengen an Elternblogs (auch durchaus lustige) in der Blogosphäre finden…

Wofür mir rein rechnerisch am wenigsten Stunden bleiben, ist meine Rolle als Frau im weiteren Sinne bzw. als ICH im engeren Sinne. 

Tja – und da sind wir beim magischen Kern des gewundenen Horns auf der Stirndes Fabelwesens angelangt: es geht um MICH, um das was MICH interessiert und ausmacht. 
Dass das nicht selten (entfernt) was mit Sex zu tun hat, kann man mir mit Mitte 30 jetzt nicht unbedingt verübeln, denke ich. Auch Themen rund um Freundschaft und Feiern sind nichts all zu ungewöhnliches. Ich hab mal gehört, das könnte entfernt etwas mit Lebensfreude zu tun haben.

Yoga macht flexibel - erhöht aber dadurch nicht die Schubladenkompadibilität

Menschen brauchen Schubladen. Um Ordnung zu halten. Weil sie sich anders im Chaos nicht orientieren können. Oder um Dinge wieder zu finden. Oder um einfach Dinge wegzupacken, um sie nicht mehr sehen zu müssen. Wie auch immer: Schubladen geben uns Sicherheit. Jeder normale Mensch hat jedoch diese eine Schublade, in die er alles packt, was sonst nirgendwo reinpasst. 

Ich habe auch solch einen Schrank. Darin befinden sich diverse Bedienungsanleitungen meiner Küchengeräte, der Eiswürfelbereiter aus dem Gefrierfach, Schaumzuckeraugen von vor drei Jahren, die noch immer auf eine noch nicht gefeierte Halloweenparty warten und ein riesiger roter Doppeldildo, der im Praxistest versagte und nun auf seine Weiterverwendung als zu verschenkender Türstopper wartet. Irgendwann ist sicher mal wieder Schrottwichteln...

Wenn ihr Schubladen in eurem Kopf braucht, dann bitte gerne. Packt mich irgendwo rein. Gerne in den Kasten mit den Anleitungen und den vergessenen Geschenken.

Von mir aus auch in den Kasten mit der Aufschrift „Schlüpfrig“, der wäre mir noch der am wenigsten unbequeme. Wundert euch aber nicht wenn der Kasten nicht richtig zu geht – ich bin etwas sperrig. Es kann auch passieren, ihr findet irgendwas, das ihr so gar nicht in dem Kasten vermutet hättet, wenn ihr ihn das nächste Mal aufzieht.


Randnotiz aus meinem Erfahrungschatz: Mama-Communitys veröffentlichen meine Bildungskritischen-/Mama-Artikel nicht, weil ich wohl auch mal etwas "erotisch unterwegs" bin. Interessanterweise stört es die Erotik-Community gar nicht, dass ich auch mal Lehrer-/Mamakram schreibe... An dieser Stelle: Platz für eigene Überlegungen...
 
Tut mir bitte einen großen Gefallen: sperrt mich nicht in die Schublade mit den Lehrern. Ich verbringe wie erwähnt täglich acht Stunden mit dieser Spezies. Das reicht völlig aus.
  
Auch bitte nicht in die mit den Müttern. Ich könnte mir vorstellen mein Situations-Tourette führt dazu, dass sie mich mit ökologisch verantwortungsvollen Hartholzbauklötzen erst steinigen bevor sie mich mit Schnullerketten erwürgen.

Am wohlsten fühle ich mich übrigens wenn man mir Raum lässt. Wie der Wellensittich im Wohnzimmer – ich verspreche euch: ich kacke euch nicht von der Gardinenstange runter. Dass so ein hysterisch flatternder Wellensittich mitunter etwas stressig in der Bude ist, kann ich gut nachvollziehen. Wellensittiche sind was für Kenner. Wenn euch mein Geflatter zu doof wird: macht das Fenster auf. Ich setz mich irgendwo auf nen Baum und kreisch einfach dort weiter. 
Wenn ihr hinter meinem Flattern aber eine zugegeben gut verschlüsselte Botschaft erkennt, dann wartet einfach drauf, dass ich mich von ganz alleine wieder auf meine Stange setze und den Schnabel halte.

Meine Güte. Jetzt hat sie mit Schubladen angefangen und ist bei Käfigen rausgekommen. Ein toller roter Faden. Is mir egal. Käfige und Schubladen sind beide bescheuert. Genau wie Nischen.
Wisst ihr, was das Problem an Nischen ist? Was man da rein packt, staubt ein. Man vergisst es und an den Dreck, der sich dort ansammelt, kommt man noch nicht mal mit dem Staubsauger ran. Kurz: Nischen sind auch scheiße. Zielgruppe war da noch. Puh. Keine Ahnung. Wer seid ihr eigentlich? 


Ach und der Mehrwert. Schwieriges Wort. Menschen die immer nach Mehrwert dürsten finden bestimmt auch Fasching und Einhörner blöd. Wenn Unterhaltung auch ein Mehrwert ist, dann biete ich Mehrwert. 

Wenn ihr Mehrwert in Bücherrezensionen, Reiseberichten, Kochrezepten oder Produkttests seht, müsst ihr entweder damit leben, dass das Gewünschte dann mülleresk serviert wird oder ewig warten. Nämlich genau so lange wie es dauert, bis mich irgendwas aus einer der Sparten mal so begeistert, dass es mir einen Artikel wert ist. Im Blogtober hab ich mich mal an den Paradedisziplinen versucht. Was soll ich sagen: seit Sportfeste in der Schule ohne meine Teilnahme stattfanden, gab es keinen letzten Platz mehr.

Wenn ich also im SchMärz bald wieder über BDSM-Kram blogge, dann weil ich Lust drauf habe. Und weil ich mit Monatsthemen versuche wenigstens ein klein wenig Ordnung im Chaos zu schaffen. 

Das heißt aber nicht, dass ich in den kommenden Wochen und auch post-schmärz nicht mit weitaus weniger erotischen Anekdoten auskomme. Bunt gemischt ist mir eh am liebsten. Das Leben ist weder schwarz noch weiß. Die fünfzig oder mehr Abstufungen dazwischen sind am Ende auch nur monochrom. Es ist bunt – genau wie ich. 

Wer Colorado und Konfetti mag (wegen bunt und gemischt und so) sollte mir auf Facebook folgen.

6 Kommentare:

  1. Bähm! Oder wie das heißt. Immer wieder schön, wenn jemand das ähnlich sieht wie ich. Nur, dass du es viel cooler beschreibst als ich das in meinem Artikel getan habe ��

    viel Spaß weiterhin uns Schubladenverweigern

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    1. Sehr beruhigen zu wissen dass es "Mit-Verweigerer" gibt! Danke ;-)

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  2. Ich kenne das Problem auch aus Blogger Sicht ganz gut :D
    "Oh, du schreibst über Bücher - du bist Buchblogger. Oh nein, warte du schreibst über Sex, also Erotik. Nein - Moment, warum denn jetzt was Politisches und was soll das Rezept da?"
    Schubladen sind einfach öde und längst überholt.
    Liebe Frau Müller du gefällst mir genauso wie du gerade bist - lass uns die Süßigkeiten aus den Schubladen plündern und eine Flasche Wein köpfen!

    Kuss
    Justine

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    1. Oh sehr gerne, wo ist der Korkenzieher? ;-)
      Diese Schubladen zeigen eigentlich ja nur wie unflexibel manche Menschen in den Köpfen sind... wahrscheinlich würden diese Leute auch im wahren Leben nicht mit uns klarkommen weil wir ihnen zu anstrengend wären...
      Liebste Grüße,
      die Müllerin

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  3. Ein wundervoller Artikel - habe mich königlich amüsiert und finde mich in einigen Worten/Situationen wieder!
    Vielen Dank und LG
    Perdita

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    1. Vielen Dank, freut mich wirklich wenn du dich amüsiert hast ☺️ Ich nenne das übrigens Emotionsebay: über Gefühle, die ich "loswerden " will freut sich jemand anderes. 🙃 Klappt ganz gut .
      LG
      Frau Müller

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